Donnerstag, 17. Februar 2011

Crossing Rivva Jordan...

Es war auch bei mir eigentlich schon zu einer Gewohnheit geworden. fast so wie man früher am Morgen, meist zum Frühstück, die regionale Tageszeitung zur Hand nahm und las: Wenn ich online gegangen bin und meine Mails kontrolliert hatte, rief ich die Webseite www.rivva.de auf (obgleich die Adresse immer zu http://rivva.de verkürzt wurde, aber nun ja, Gewohnheit halt). Doch dann…

“Eines Tages will unser emsiger kleiner Flynn seine Daten abrufen, doch es erscheint nichts. Null Komma nichts.”
(Flynn in TRON)

So ähnlich erging es nicht nur mir, sondern auch vielen anderen Lesern.  Anstatt der üblichen Startseite des Dienstes erschien eine recht knapp gehaltene Botschaft von Frank Westphal, der Rivva entworfen und programmiert hat: “Sabbatical. Brauche Abstand, vl. am 3.3. zurück. – Frank”.

Rivva wurde von Frank Westphal nach dem amerikanischen Vorbild “Techmeme” gestaltet. Wo sich diese Seite allerdings auf technische Webseiten beschränkt und neben einem Automatismus die Inhalte auch noch von Menschen bearbeitet werden, ist Rivva von den Themen her offen und (nach einem “händischen Anstuppsen”) automatisch. Die Seite durchsucht Blogs und Medienseiten nach Artikeln und präsentiert diese als Anreißer ganz im Sinne einer Newsseite. Ein Artikel kommt dabei auf die “Titelseite” von Rivva, indem er von anderen Blogs oder Medien(*) verlinkt wird. Wie bei Google, so wird auch hier der Wert eines Inhalts an dem Link-Interesse gemessen, das dieser generiert. Je häufiger ein Artikel verlinkt wird, desto weiter nach oben schafft er es bei den “Top Stories”.  Seit seiner “Erstausgabe” 2007 hat Frank Westphal die Seite immer weiter entwickelt, direkte Verlinkungen auf YouTube-Videos kamen dazu, oder Top-Twitter-Nachrichten. Doch mit der größeren Beliebtheit kamen erste Probleme, etwa als die Serverkapazität nicht mehr reichte oder Westphal sich einen Sponsor suchte, der bereit war, die immer mehr werdende Arbeit an der Webseite finanziell zu unterstützen und dafür mit Sponsor-Links vertreten war.

Wie ich oben bereits schrieb, wurde der Blick auf Rivva für mich irgendwann so selbstverständlich wie zu anderen Zeiten der Blick in die lokale Presse. Denn tatsächlich ist der Dienst in Deutschland einzigartig. Und dadurch, dass nicht nur die “hochverlinkten” Beiträge angeführt wurden, sondern auch die Blogs, die verlinkt haben, konnte man hier zu einem Thema auch verschiedene Ansichten oder Meinungen lesen (vorausgesetzt, der entsprechende Artikel ging über eine reine Leseempfehlung hinaus). Und man entdeckte ab und zu mal ein neues Blog für sich, das sich mit interessanten Themen auseinandersetzt, die man gern lesen möchte. Natürlich gab und gibt es auch Kritik. Für den Hauptpunkt dieser Kritik kann aber Frank Westphal nichts, nämlich die Einzigartigkeit von Rivva. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn es noch einen oder mehrere andere Dienste dieser Art gäbe, die vielleicht ein wenig anders eingestellt sind und andere Themen “an die Oberfläche” spülen. Aber da sah und sieht es mau aus.


Am Anfang war ich so zuversichtlich wie vermutlich viele in der deutschen Blogger-Szene:  Nach etwa einem Monat Pause sollte Rivva wieder da sein. Mich persönlich stimmte der Umstand positiv, dass der vorgesehene 3. März 2011 der Geburtstag von Rivva wäre und solche Tage sich ja immer besonders eignen, um etwas Neues vorzustellen.

Doch dann... das Aus. Auf der Startseite von Rivva erschien einige Tage nach dem "Sabbatical" eine weitere knappe Mitteilung "2007 - 2011, Merci et Adieu, Frank". Der Link auf das Rivva-Blog exisitierte noch, wo man so eine Art Kondolenznachricht hinterlassen konnte. Und während der geneigte Blogger (also auch ich) es noch gar nicht fassen konnte, berichtete sogar die Tagesschau, das öffentlich-rechtliche Nachrichten-Medium schlechthin, von Rivvas plötzlichem Ende und seiner Einzigartigkeit. Nur eins lieferte auch die Tagesschau nicht - die genauen Gründe für das Ende.

Ich denke, dass diese vielfältig sind, natürlich der Zeitaufwand und die Anforderungen an den Server, nicht zu vergessen, die finanzielle Seite. Ich sehe aber noch einen Grund, und sollte dieser bei Frank Westphals Entscheidung keine Rolle gespielt haben, so hätte sich das unter Umständen schnell ändern können: die rechtliche Seite. Tatsächlich versucht eine Allianz von deutschen Zeitschriftenverlagen gerade ein neues Leistungschutzrecht der Regierung schmackhaft zu machen. Sollte dieser Traum vieler schlafloser Nächte Wirklichkeit werden, wären selbst einzelne Phrasen vor der Weiterverwendung geschützt, wie etwa die selten dämliche Schlagzeile, mit der eine große deutsche Boulevard-Zeitung dem Umstand Rechnung trug, dass ein Deutscher Papst geworden war und mir damit alle Papst seien (NEIN, ich zitiere die Schlagzeile nicht, wer weiß, was noch kommt).
Die Vorboten der möglichen Folgen eines solchen Schutzrechts haben wir vor kurzem schon beobachten dürfen. Da wurde nämlich ein Dienst gestartet, der sich “Commentarist” nannte. Anreißer von journalistischen Kommentaren sollten gesammelt veröffentlicht werden. Der Leser sollte sich so einen Überblick darüber verschaffen können, welche Zeitung welches Thema kommentiert. Ja, der Leser hätte auf diese Weise sogar die Kommentare miteinander vergleichen können und damit verschiedene Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache bekommen.
Dagegen sind allerdings zwei Verlage massiv vorgegangen und haben mit juristischen Schritten gedroht, da sie das Veröffentlichen von “Anreißern” als Contentdiebstahl ansehen. Im Grunde genommen hat Rivva nichts anderes gemacht, nur der Schwerpunkt war eben anders und es war automatisiert, während beim "Commentarist" noch viel redaktionelle Arbeit geleistet wurde. Und Rivva zitierte neben Blogs eben auch die Webseiten so genannter "etablierter Medien". Möglicherweise hätte auch Westphal juristische Probleme bekommen. Das Projekt "Commentarist" wurde jedenfalls vorläufig auf Eis gelegt, obwohl es sicherlich eine spannende Sache geworden wäre.

Andere Projekte dieser sind nicht in Sicht, was ich wie gesagt schade finde. Und nun ist gerade vor zwei Tagen beim "Spiegelfechter" und den "NachDenkSeiten" ein Artikel erschienen, der die Frage stellt: "Retten Blogger die Demokratie?" (auf den "NachDenkSeiten" hier). Der Artikel macht eine Bestandsaufnahme, berichtet darüber, was Blogs leisten können und was nicht und schließt mit ein paar Fragen, die sich um die Zukunft der Blogs drehen. Eine davon lautet:

Kann ein starke Vernetzung innerhalb der Blogosphäre möglich und zielführend sein?

Zielführend würde ich auf jeden Fall bejahen, aber auch möglich? Dabei wäre ein "neues" Rivva extrem hilfreich, denn hier habe ich schon so manche Entdeckung gemacht. Um Rechtssicherheit zu erhalten und auch zu behalten, müsste man vielleicht ein System entwickeln, das sich automatisch vor dem ersten Zitieren einer neuen Quelle eine Erlaubnis abholt, oder man macht ein "Nur-Blogs"-System, bei dem die Webseiten der traditionellen Medien konsequent außen vor gelassen werden.

Um ein solches System zu programmieren, muss man die geeignete Person sein. Nun sollte man aber noch etwas tun, statt nur darauf zu warten, dass diese Person in Erscheinung tritt und dem Internet ihre Lösung präsentiert. Und auch da gibt es einen Ansatz. In letzter Zeit wurde nämlich auch immer wieder von einem Phänomen berichtet, von dem ich nicht weiß, ob es wirklich so ist, auch wenn ich es mir gut vorstellen kann: Die Verlinkung unter den deutschsprachigen Blogs hat insgesamt abgenommen. Nun ist es auf den Webseiten großer deutscher Medienunternehmen zum großen Teil schon immer üblich gewesen, auf Blogs als Quelle nicht zu verlinken und nur nebulös darauf hinzuweisen, man habe die Information zu diesem oder jenem Artikel “aus dem Internet” oder “aus einem (deutschen) Blog”.  Und auch wenn ich mir immer Mühe gegeben habe, in Artikel auf andere Blogs zu verlinken, in einer Sache muss ich mir doch auch an die eigene Nase fassen – die Blogroll gerade auch hier war sehr lange Zeit verwaist. Aber sie ist auch ein wichtiger Bestandteil, wenn ein Besucher auf diese Webseite kommt und möglicherweise nach Themen sucht, die ihn sonst noch interessieren. Das werde ich nun Stück für Stück ändern, und ich habe mir vorgenommen, vielleicht auch ein paar Artikel dazu zu schreiben, warum ich diese oder jene Webseite in die Linkliste mit aufgenommen habe und warum ich sie lesenswert finde. Vielleicht findet so der eine oder andere Leser noch etwas für seine persönliche Blogsammlung.

Nichtsdestotrotz: Rivva hinterlässt eine Lücke, die schwer zu füllen ist.


(*) Anmerkung: Wie ich ein paar Absätze später vermerke, ist es gerade bei Webseiten von Zeitungen und Zeitungsverlagen immer noch nicht üblich, Blogs als Quellen zu verlinken, weil die aus diesem Pfui-Bah-Internetdings stammen. Aber manche tun’s tatsächlich.

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